HAUS / Chemnitzer Alternative Unsere Supermarkt
Das Projekt HAUS konzentriert sich auf die Person Salman Schocken und die durch ihn betriebene Kaufhauskette. Das Kaufhaus Schocken wurde am 15.05.1930 in Chemnitz eröffnet. Zuvor wurde ebenfalls 1929 eine Filiale des Kaufhauses in Wałbrzych errichtet. Schocken machte sich einen Namen mit einer neuen Verkaufsphilosophie, die es dem deutschen Mittelstand aus den Provinzstädten ermöglichte, Luxuswaren zu erschwinglichen Preisen zu erwerben. Einige Geschäfte der Schocken-Kette wurden von dem Pionier der Stromlinien-Moderne Erich Mendelsohn errichtet. Sie stachen somit durch eine interessante, neuzeitliche Architektur hervor. Die Arbeit in den Kaufhäusern war nach sozialdemokratischen Vorstellungen organisiert (gerechte und würdige Behandlung der Arbeitnehmer, gute Löhne, Anhaltung der sozialen Bedingungen). Schockens Kaufhäuser gab es in vielen Städten Deutschlands, auch in Chemnitz und Wałbrzych. Diese Tatsache schlägt eine natürliche Brücke zwischen den beiden Städten. Dies inspirierte uns, Künstler des Polnischen Theaters in Wałbrzych, zu einem gemeinsamen Projekt mit Chemnitz der Europäischen Kulturhauptstadt 2025. Übrigens! Unser Theater interessiert sich an der Geschichte Schockens schon seit längerem – im Repertoire befindet sich ein Monodrama über Schocken mit dem Titel Mensch (Premiere 29.05.2021, mehr über das Stück HIER).
Das Theaterstück MENSCH wurde am 9. Mai 2024 im Rahmen des Festivals NONSTOP EUROPA in Chemnitz aufgeführt.
Die Schocken-Läden überlebten den Zweiten Weltkrieg und dienten als Kaufhäuser in der DDR und im kommunistischen Polen. Das Chemnitzer Kaufhaus (HO) wurde 2001 endgültig geschlossen und beherbergt heute das SMAC-Museum. Das Kaufhaus in Wałbrzych (PDT) wurde 1990 geschlossen und bringt heute eine Privatschule und einen chinesischen Markt unter.
Zwei Jahrzehnte verwischen die Erinnerung und die Zahl der ehemaligen Mitarbeiter nimmt ab. Die sozialistische Realität der beiden Länder rückt in weite Ferne. Das HAUS ist ein Versuch, aus der Geschichte mehr als nur Nostalgie zu schöpfen. Denn diese Geschichte eignet sich hervorragend um Modelle für die Zukunft zu entwerfen.
Das Projekt ist von der antizipierenden Verkaufsform der Schocken-Philosophie inspiriert. Die Endwicklung des Konzepts besteht aus Recherchen von Historikern, Architekten, Ökonomen und der Arbeit mit den Erinnerungen ehemaliger Kaufhausmitarbeiter sowie ihrer Familien. Ihre Erkenntnisse werden die Grundlage für künstlerische Aktivitäten mit den Bewohnern beider Städte bilden, um die Sichtbarkeit beider Orte zu erhöhen und eine künstlerische Alternative zum Kapitalismus zu schaffen.
Wir setzen uns dafür ein, dass die Arbeit am Projekt HAUS auf Begegnungen, Gesprächen, Informations- und Erfahrungsaustausch zwischen Kuratoren und Partnern sowie Teilnehmern basiert. Die verschiedenen Begegnungen mit den Teilnehmern werden Gelegenheiten sein, sich gegenseitig in interessanten Gesprächen auszutauschen. Das HAUS wird darauf Acht geben alle Werte der Partizipation des generationenübergreifenden Austauschs, der Offenheit, der Demokratie und der Inklusion zu verwirklichen.
Die Gründung von HAUS durch ein internationales Team entspringt der Überzeugung der Kuratoren, dass Kreativität und Schöpfung dem sozialen Dialog am besten dient. HAUS, eine Geschichte des 20. Jahrhunderts, die im 21. für die Zukunft verfasst wird.
PROJEKTKURATOREN
Antonina Brühl
Deutsch-Polnische Schauspielerin und Regisseurin. Studiert seit 2019 Regie und Schauspiel an der Aleksander Zelwerowicz Theaterakademie in Warschau. Ihre studentischen Regieprojekte wurden 2021/2022 zum Forum der jungen Regie in Krakau eingeladen. Führte Regie am Theater Wałbrzych und Stefan Żeromski Theater in Kielce. Stipendiatin des Programms für Junge Künstler der Stadt Białystok im Jahr 2023. Puppenspielerin in der Oper Jim Knopf und Lukas der Lockführer am Opernhaus.
Tomasz Jękot
Polnischer Dramatiker. Absolvent der Fakultät für Theaterregie an der Krakauer Akademie der Darstellenden Künste und des Theaterlabors in Warschau. Autor von Texten, Adaptionen, Dramaturg von Theaterstücken in Polen und im Ausland. Seit 2018 ist er literarischer Leiter des Theaters Wałbrzych. Seit 2021 setzt er das Konzept des Autors für dramaturgische Residenzen am Theater um.
Seb Majewski
Polnischer Regisseur und Dramatiker. Seit 2018 stellvertretender künstlerischer Leiter des Theaters Wałbrzych. Absolvent der Fakultät für Puppenspielkunst in Białystok. Majewskis Texte wurden u. a. am Polnischen Theater in Wrocław, am Alten Nationaltheater in Krakau sowie an Theaterhäusern in Tiflis, Dublin und Los Angeles aufgeführt.
Brian Michaels
Der britische Theater- und Opernregisseur, der in Deutschland lebt und arbeitet, hat viele Opern- und Theateraufführungen in Europa und weltweit inszeniert. Er initiierte eine Reihe internationaler Kooperationsprojekte. Gastprofessor an der Fakultät für Schauspiel und Regie der Tanztheaterakademie - WTT PWST Bytom/Kraków. Er entwickelte seinen eigenen körperbasierten Ansatz zur Schauspielerei - "Body Thinking", den er ursprünglich zusammen mit der Tänzerin Nadia Kevan konzipierte.
Im Rahmen des Projekts HAUS wurde am 18. Mai 2024 im Gebäude in Wałbrzych die Veranstaltung „Prywatka u Schockena“ organisiert. Es war eine spontane, pop-up Theater- und Musikveranstaltung, an der fast 200 Bewohner von Wałbrzych und eingeladene Gäste teilnahmen. Das Interesse übertraf unsere Erwartungen – die Eintrittskarten für die Veranstaltung waren innerhalb eines Tages ausverkauft, aber aus logistischen und künstlerischen Gründen konnten wir die Anzahl der Karten nicht erhöhen. Mit dieser Aktion wollten wir die lokale Gemeinschaft in einen gut bekannten, aber seit Jahren unzugänglichen Raum einladen – das Treffen wurde von einem Gespräch über die Geschichte des Ortes, individuellen Anekdoten und Erinnerungen, die im kollektiven Gedächtnis aufgezeichnet sind, begleitet. Wir sind überzeugt, dass diese Veranstaltung den Beginn eines Denkprozesses über das ehemalige Kaufhaus Schocken nicht nur als erinnerungswürdige Vergangenheit, sondern vor allem als vielversprechende und interessante Zukunft markiert hat. Wir haben die Teilnehmer eingeladen, gemeinsam Spaß zu haben – Fantasien darüber zu entwickeln, was sich in dem Gebäude befinden sollte, welche Traumaktivitäten sie gerne täglich zurückkehren lassen würden.